1 Das Motiv der »Friedenstaube« erinnert an die christliche Taubensymbolik des Heiligen Geistes, die Zehn Gebote der Sozialistischen Moral und Ethik, der Jungpioniere und der Thälmann-Pionierean den Dekalog des AT, die Namensweihe ersetzte die Taufe, die Jugendweihe die christliche Konfirmation usw. Mehr zu Sakralisierungsbemühungen der SED: Vgl. Könczöl, Barbara: Märtyrer des Sozialismus. Die SED und das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Frankfurt/Main, New York, 2008.
2 Schierz, Kai Uwe: Neues vom Turmbau. Zum metaphorischen Gebrauch biblischer und christlicher Motive in der bildenden Kunst der DDR. In: Rehberg, Karl-Siegbert; Holler, Wolfgang; Kaiser, Paul (Hg.): Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen. Köln, 2012, S. 361-369 (nachfolgend:Schierz 2012), S. 368.
3 Ist das Triptychon bei regimekritischen Künstlern als Modernerezeption zu verstehen (z. B. deutet Karin Thomasdie Dreiteilung des Gemäldes Die Freunde (1957) von Harald Metzkes als Zitat der klassischen Moderne, genauer Max Beckmanns, vgl. Thomas, Karin: Kunst in Deutschland seit 1945. Köln, 2002, S. 94.), liefert die Orientierung an »formalistischen« Vorbildern keine Erklärung für seine Verwendung in der offiziellen Kunst der DDR, was die Aneignung und Umwidmung religiöser Repräsentationsformen als Deutungsmöglichkeit legitimiert.
4 Sachs, Angeli: Erfindung und Rezeption von Mythen in der Malerei der DDR. Berlin, 1994 (nachfolgend Sachs 1994), S. 9; Schierz 2012, S. 361ff.
5 Seit 1950 als Kunstzirkelleiter verschiedener Betriebsstättentätig, galt der Maler Bernhard Franke in der DDR als prägendes Vorbild für die bildkünstlerische Umsetzung der »Bitterfelder Ideen«. Er verhalf u. a. dem Zirkel der Farbenfabrik Wolfen nebst Kunstpreisen zu einem der »besten Volkskunstkollektive der DDR«.Vgl. Michel, Peter: Lehren und Lernen. Bernhard Franke und das bildnerische Volksschaffen. In: VEB Chemiekombinat Bitterfeld (Hg.): Bernhard Franke. Malerei Grafik. Bitterfeld, 1983, S. 23-29, S. 26.
6 Vgl. Damus, Martin: Malerei der DDR. Funktionen der bildenden Kunst im Realen Sozialismus. Reinbek bei Hamburg, 1991 (nachfolgend: Damus 1991), S. 34.
7 Uhlitzsch, Joachim: Bildende Kunst auf dem Bitterfelder Weg. Beiträge zur Kunsterziehung. Berlin (DDR), 1966, S. 32.
8 Die Überhöhung »vom Industriearbeiter zum Demiurgen« findet sich neben dem Chemiearbeiter am Schaltpult auch in Sittes Triptychon Leuna 1969 (1967-69). Vgl. Gillen, Eckhart J.: Arbeit und Alltag. Der neue Mansch im Sozialismus. In: Philipsen, Christian; Bauer-Friedrich, Thomas; Kaiser, Paul (Hg.): Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retrospektive. Leipzig, 2021, S. 383-391, S. 390. Ferner verbildlicht auch José Renaus Entwurf Der Mensch unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution (1969) eine Apotheose des Arbeiters am Schaltpult als antikisierte Gottheit (Damus 1991, S. 238 und Sachs 1994, S. 59). Dargestellt mit Zirkel inmitten einer futuristisch stilisierten Mandola erinnern Komposition und Attribut an Christus als Weltenschöpfer, z. B.auf der Titel-Illumination der Bible moralisée de Tolède (1226-1234)
9 Vgl. Damus 1991, S. 231f.
10 Die parteipolitische Forderung, die individuelle Leistung in den Dienst des Kollektivs zu stellen, wurde mit dem Bitterfelder Weg vom Gesellschaftsanliegen auf das künstlerische Feld transferiert: »Die Prägung der individuellen, persönlichen Erlebniswelt des Künstlers wird auf dem Bitterfelder Weg aus einer ›Privatsache‹ zu einer ›öffentlichen‹, gesamtgesellschaftlichen Angelegenheit und von der sozialistischen Gesellschaft durch vielfältige Aktivitäten organisatorisch, ideell, moralisch und auch materiell stimuliert.« Vgl. Bühl, Harald u. a. (Hg.): Kulturpolitisches Wörterbuch. Berlin (DDR), 1970, S. 80ff., S. 81. Gefordert waren »die stetige Übereinstimmung der persönlichen Interessen, schöpferischen Neigungen und spezifischen Talente der Künstler mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung sowie mit den wachsenden künstlerischen-ästhetischen Bedürfnissen der Werktätigen.« Vgl. ebd.
11 Leonhard, Jörn; Steinmetz, Willibald(Hg.): Semantiken von Arbeit. Diachrone und vergleichende Perspektiven. Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, herausgegeben von Andreas Eckert und Joachim Rückert. Bd. 91. Köln, Weimar, Wien, 2016, S. 19.
12 Die Chemieindustrie (darunter v. a. die Aluminiumproduktion) avancierte zur »Leitindustrie der DDR« für den gewinnbringenden Export, die Unabhängigkeit der DDR und damit den Aufbau des sozialistischen Staates, wie u. a. aus der Losung »Chemie bringt Brot –Wohlstand –Schönheit« der Chemiekonferenz des ZK der SED 1958 in Leuna hervorgeht (Vgl. Gillen, Eckhart J.: »Jawohl, diese Höhen müssen gestürmt werden« Alfred Kurella, der Bitterfelder Weg 1959 und die sowjetische Kulturrevolution 1929. In: Rehberg, Karl-Siegbert; Holler, Wolfgang; Kaiser, Paul (Hg.): Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen. Köln, 2012, S. 175-183, S. 178). Zugleich waren gerade hier die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten besonders entbehrungsreich, mitunter sogar lebensgefährlich. Verwiesen sei, neben dem Einsatz hochgiftiger Stoffe, auf die Vinylchlorid-Explosion im Elektrochemischen Kombinat 1968, das größte Chemieunglück der DDR-Geschichte, bei dem 270 Menschen schwer und 42 tödlich verletzt wurden. Hannelore Melzer schreibt im kritischen Rückblick von einer »real stattfindende[n] Ruinierung der Gesundheit der Menschen ... durch eine ... Raubbau betreibende Produktion« (Vgl. Hannelore Melzer: Die Ökokatastrophe hat einen Namen: Bitterfeld. In: Munier, Gerald; Duhm, Burghard(Hg.): Vom Bauhaus nach Bitterfeld. Bielefeld, 1991, S. 76, ebd.).
13 »Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf.« Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. (1843/44). In: Karl Marx/ Friedrich Engels -Werke. Bd.1. Berlin (DDR), 1976, S. 378-391, S. 379.